02.12.2020
Lichtblick Advent - 2. Dezember

Ein Wort zum Tage von Pfarrerin Susanne-Maria Breustädt

Jeden Dienstag erwartete sie mich schon. Sie stand mit ihrem freundlichen Lächeln in der Tür, trug wie immer dicke Socken, eine Kittelschürze und eine Strickjacke darüber. Sie hatte immer etwas zu tun im Haus oder im Garten, aber wenn ich kam, hatte sie Zeit.  Meist saßen wir in der Küche oder im Stübchen, sie hatte Kuchen gebacken oder in der Wurstkammer großzügig ein Stück Knackwurst abgeschnitten und zwei Brotscheiben dazu gelegt. Als ich Oma Anna kennenlernte war sie 71 Jahre alt. Zwischen der Ankunft des Busses und dem Beginn des Konfirmandenunterrichtes lagen die beiden Stunden, die mir den Beginn meiner Arbeit als Vikarin so leicht und schön gemacht haben. Sie erzählte mir von den Menschen im Dorf und ihren Lebensgeschichten, erinnerte mich an Jubiläen und hatte fast immer eine geistliche Frage. Ist es schlimm, wenn ich aus meinem katholischen Brevier bete, auch den Rosenkranz, obwohl ich doch längst zu euch Evangelischen gehöre? Im Saarland aufgewachsen war sie katholisch getauft und gefirmt worden. Als der Krieg begann wurden sie wie viele Saarländer ins Reich evakuiert. Hier im evangelischen Thüringen lernte sie ihren Mann kennen, aber eine konfessionsverschiedene Ehe wurde damals noch nicht gesegnet. Ihr Mann blieb im Krieg vermisst. Den einzigen Sohn zog sie allein auf. Sie rang um und mit ihrem Glauben, ihrem Herrgott, der ihr so viel Schweres auflegte, ihr aber auch so viel Schönes schenkte. Sassen wir aber im Gemeindenachmittag zusammen, steckte sie uns an mit ihrer Begeisterung für Bibeltexte, Gedichte und Gebete. Man konnte spüren, dass sie sie durchs Leben trugen. Darunter war auch ein Adventslied, das sie uns immer wieder gern vorsang, weil es niemand sonst kannte:

Ein Stern steht überm Walde, der hat so`n hellen Schein.

Das Christkind kommt gar balde in unser Dorf hinein.

Es schlafen Feld und Wiesen, der Wind singt hinterm Zaun,

die Rehe in dem Walde all nach dem Sternlein schaun.

Der Stern indes wird fallen in tiefen Weltengrund,

der bringt uns Menschen allen die reine Gotteskund.

Dein Herze ist die Krippe, o Kindlein warte still,

in deiner Seelenmitte der Stern aufgehen will.

Längst ist sie heimgekehrt in Gottes Frieden. Wenn wir das Lied singen denke ich an sie und bin mir sicher, dass sie in Gottes Liebe geborgen ist.

 

Pfarrerin Susanne-Maria Breustädt - Creuzburg.

S. Breustedt - Andacht