11.11.2020
Über den Volkstrauertag (15. November)

Über den Volkstrauertag

Der Volkstrauertag wurde auf Vorschlag des 1919 gegründeten Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge als Gedenktag für die Kriegstoten des Ersten Weltkrieges eingeführt. Dieser Tag sollte ein Zeichen der Solidarität derjenigen, die keinen Verlust zu beklagen hatten, mit den Hinterbliebenen der Gefallenen sein.

1922 fand die erste offizielle Feierstunde im Deutschen Reichstag in Berlin statt. Dabei rief Reichstagspräsident Paul Löbe eindringlich zur „Abkehr vom Hass“ auf und warb für Versöhnung und Verständigung. Ein Komitee, dem von den großen Glaubensgemeinschaften bis zum jüdischen Frauenbund viele verschiedene Verbände angehörten, erreichte unter Federführung des Volksbundes, dass der Volkstrauertag in den meisten Ländern des Deutschen Reiches gemeinsam begangen wurde: am Sonntag Reminiscere, dem fünften Sonntag vor Ostern.

In der Weimarer Zeit jedoch verlor die Trauer um die Gefallenen ihre gesellschaftlich verbindende Wirkung. Dies lag an der umstrittenen Deutung des Ersten Weltkrieges. Die politischen Kräfte, die am Volkstrauertag vermehrt des Kampfes und Leids der deutschen Soldaten gedachten und ihre heroischen Taten den nächsten Generationen zur Nachahmung empfohlen, wurden immer stärker.

Nach ihrer Machtübernahme schrieb die nationalsozialistische Regierung diese Deutung 1934 gesetzlich fest: Der Volkstrauertag wurde auf den 16. März gelegt und zum staatlichen „Heldengedenktag“. Er sollte alle Deutschen in der Trauer vereinen. Aber alle, die aus politischen oder sogenannten rassischen Gründen nicht zur „NS-Volksgemeinschaft“ zählten, wurden aus dem Gedenken verbannt wie beispielsweise die gefallenen jüdischen Weltkriegssoldaten. An dieser Propaganda beteiligte sich auch der seit 1933 bereitwillig gleichgeschaltete Volksbund. Für die Gefallenen des Zweiten Weltkriegs wurde die Wehrmacht zuständig. Der Heldengedenktag wurde bis 1945 von der Wehrmacht und der NSDAP ausgerichtet. Die Richtlinien über Inhalt und Ausführung erließ der Reichspropagandaminister.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Volkstrauertag in Westdeutschland auf Betreiben des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge 1952 wieder als Tag der „nationalen Trauer“ eingeführt, in deutlicher Abgrenzung zum nationalsozialistischen Heldengedenken. Er ist durch Landesgesetze geschützt und liegt auf dem Sonntag zwei Wochen vor dem ersten Advent.

Seit 1945 wird am Volkstrauertag auch der zivilen Opfer des Krieges gedacht. So treten neben die toten Soldaten auch Frauen, Kinder und Männer, die in den besetzten Ländern und in Deutschland zu Opfern von Krieg, Gewalt und NS-Verfolgung wurden. Von Anfang an riefen die Bundespräsidenten dazu auf, auch an die Opfer der Diktatur zu erinnern, an Menschen, die aus politischen, religiösen oder sogenannten rassischen Gründen verfolgt worden waren.

Heute wird am Volkstrauertag an die Opfer von Krieg und Gewalt erinnert und gleichzeitig zu Versöhnung, Verständigung und Frieden gemahnt. 2018 stand das Gedenken an den Ausgang des Ersten Weltkriegs, 2019 an den Beginn des Zweiten Weltkriegs mit dem Überfall auf Polen im Mittelpunkt. Die diesjährigen Veranstaltungen stehen im Zeichen des Kriegsendes vor 75 Jahren wie auch der darauffolgenden Wandlungsgeschichte vom Kalten Krieg und Eisernen Vorhang hin zu einem friedlichen und vereinten Europa – das zugleich vor neuen Herausforderungen steht.

Totengedenken

Wir denken heute an die Opfer von

Gewalt und Krieg, an Kinder, Frauen

und Männer aller Völker.

 

Wir gedenken der Soldaten, die in den

Weltkriegen starben, der Menschen, die

durch Kriegshandlungen oder danach in

Gefangenschaft, als Vertriebene

und Flüchtlinge ihr Leben verloren.

 

Wir gedenken derer, die verfolgt und getötet

wurden, weil sie einem anderen Volk angehörten,

einer anderen Rasse zugerechnet wurden,

Teil einer Minderheit waren oder deren Leben

wegen einer Krankheit oder Behinderung als

lebensunwert bezeichnet wurde.

 

Wir gedenken derer, die ums Leben kamen,

weil sie Widerstand gegen Gewaltherrschaft

geleistet haben, und derer, die den Tod fanden,

weil sie an ihrer Überzeugung oder an ihrem

Glauben festhielten.

 

Wir trauern um die Opfer der Kriege und

Bürgerkriege unserer Tage, um die Opfer von

Terrorismus und politischer Verfolgung, um die

Bundeswehrsoldaten und anderen Einsatzkräfte,

die im Auslandseinsatz ihr Leben verloren.

 

Wir gedenken heute auch derer, die bei uns

durch Hass und Gewalt gegen Fremde und

Schwache Opfer geworden sind. Wir trauern

mit allen, die Leid tragen um die Toten,

und teilen ihren Schmerz.

 

Aber unser Leben steht im Zeichen der Hoffnung

auf Versöhnung unter den Menschen und

Völkern, und unsere Verantwortung gilt dem

Frieden unter den Menschen zu Hause

und in der ganzen Welt.

 

Das Sprechen des Totengedenkens durch den Bundespräsidenten am Volkstrauertag wurde von Bundespräsident Theodor Heuss 1952 eingeführt