11.05.2020
Corona - kurz und knapp - 13. Mai

Ein wort zum Tage von Pfarrer Gerhard Reuther

Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über. Natürlich kennen Sie dieses Sprichwort, mehr noch, sie können es aus eigener Erfahrung bestätigen. Freude und Traurigkeit füllen im Laufe des Lebens das Herz, Hoffnung und Enttäuschung, oder denken Sie an den Moment, als Sie in Liebe für einen Menschen entbrannt sind: da fließt das Herz von Empfindungen über und teilt sich durch die Worte des Mundes mit – und mit der gegensätzlichen Empfindung ist es genau so: die Trauer über eine verschmähte oder gestorbene Liebe sucht ebenso Wege, das empfundene Leid mitzuteilen. Dies sind Erfahrungen, die die allermeisten Menschen verbindet, und sie gehören zu den Grunderfahrungen des Lebens.

Was aber in diesen Wochen die Herzen vieler Menschen erfüllt, ist besorgniserregend. Es läßt die Abgründe nicht nur erahnen sondern erkennen, die sich im Herzen eines Menschen auftun können, wenn uns ungeliebte und unbequeme Ereignisse und Erfahrungen zu nahe kommen, gleichgültig ob im gesellschaftlichen, persönlichen, politischen oder wirtschaftlichen Sinne.

Macht man einen Streifzug durch die sogenannten sozialen Medien, so wird man gewahr, wieviel Ungeduld, Abneigung, Haß, Vorurteil, Intoleranz, Denkfaulheit, Unsachlichkeit und Polarisation die Herzen besetzen kann. Ausdruck findet dies dann in den entsprechend niveaulosen Kommentaren und es wird deutlich, warum der Begriff „soziale Medien“ durch Facebook und co ziemlich in Verruf geraten ist. Hier offenbart sich unter dem Deckmantel der Anonymität, wieviel Unrat sich in uns ansammeln kann, wenn wir die Herzenskammer nicht regelmäßig aufräumen, ideologischen Seelenmüll hinauswerfen und mit neuen, lebensfördernden, hellen und frohmachenden Inhalten füllen und die Tür vor dem Unrat verschließen, der hereinfluten will.

Dazu gehört jedoch Vertrauen und ein gutes Immunsystem. Denn Vertrauen macht immun gegen Angstmacherei und Manipulation. Beides erleben wir reichlich in unserer Welt, und nicht erst seit Covid19. Doch wie schafft man Vertrauen, und in wen oder was? Am besten ist es, sich an die Quelle allen Lebens zu wenden, also an Gott selbst. Denn daß die Welt überhaupt noch existiert, ist seiner Liebe und Barmherzigkeit uns gegenüber zu verdanken. Wie oft stand ihre Existenz schon auf Messers Schneide? Doch dann hat er eingegriffen und die schlimmsten Folgen unseres Versagens verhindert. Aus dieser Erkenntnis entstand und entsteht zu allen Zeiten Vertrauen und eine tiefe Dankbarkeit gegenüber Gott, die Menschen auf vielfältige Weise zum Ausdruck bringen. Zu den schönsten Dankesbekundungen gehört die Musik, eine Himmelsgabe, wie Luther sie einmal genannt hat. Recht hat er, denn sie erreicht die tiefsten Tiefen der Seele und des Herzens und sprudelt von dort hervor und steigt auf in die Höhe und trägt die Gefühle und Empfindungen mit sich hinauf zu Gott. Zugleich erfüllt sie die Menschen mit Freude und kann die stärken und aufrichten, die sie hören.

Oder auch nicht. … Wie denn? Nun doch nicht? Sie kennen vielleicht den Reim „wo man singt, da laß dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder“. Leider ist dem nicht so. Ich weiß um ganze Genres destruktiver Musik, und Sie vielleicht auch. Diese Musik verdient diesen Namen nicht, denn sie ist nicht lebensbejahend sondern zerstörerisch. Darum gilt auch hier, daß es auf meine eigene Entscheidung ankommt, womit ich mein Herz fülle, und nur so diene ich mir selbst als auch einem gedeihlichen Miteinander in meiner nächsten Umgebung und mit den Menschen, die mit mir auf dieser einen Erde die Verantwortung für ein gelingendes Leben tragen.

Es gibt eine Geschichte, die in Varianten kursiert. Eine davon möchte ich Ihnen zum Bedenken mit auf den Weg geben.

Ein alter Indianer saß dereinst mit seinem kleinen Enkel auf einem von der Sonne überfluteten Berg. Beide schauten hinab ins Tal. Da sagte versonnen der alte Indianer:

"In meiner Brust wohnen zwei Wölfe, die ständig gegeneinander kämpfen:

Der eine ist der Wolf der Dunkelheit, der Angst, des Misstrauens, der Verzweiflung und des Neides.

Der andere ist der Wolf des Lichtes, der Liebe, der Lust und der Lebensfreude."

 

Nach kurzer Pause fragte der Enkel: "Welcher der beiden Wölfe wird gewinnen?"

 

Der alte Indianer lächelte leise und antwortete: "Der, den ich füttere..."

 

Gerhard Reuther- Pfarrer in Ruhla.

 

Reuther neu Herz Mund